Hier ein Bericht aus dem Libanon, gesandt an den Verein „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ (www.lib-hilfe.de), von dessen Vorsitzender, Frau Ingrid Rumpf, ich ihn am 28.6.06 per E-Mail erhielt. - Einen weiteren Bericht finden Sie unter „Meine Meinung“ Nr. 2.

irumpf@lib-hilfe.de

Die jüngsten Nachrichten von unseren Partner The National Institution of Social Care and Vocational Training (NISCVT) aus dem Libanon:

Tag 15:

Es hat sich nichts grundsätzliches geändert...Sichere Passagen, worauf die Menschen warten, sind bis jetzt nicht bestätigt, obwohl einige Schiffe durchkommen, vor allem um Ausländer zu evakuieren. Gestern sind 3 jordanische Militärmaschinen mit medizinischem Material in Beirut gelandet. Andererseits wurde ein Lastwagen aus den Emiraten mit medizinischem Material in der Nähe der syrischen Grenze getroffen, wobei der Fahrer getötet wurde und die ganze Ladung verbrannt ist. Die sicheren Korridore sind extrem wichtig, wenn ausreichend Hilfe die eingeschlossenen Menschen erreichen soll. Die vorgeschlagenen Korridore sollen über die nördliche Grenze zu Syrien, die Häfen von Beirut, Tripoli und Tyros und über den Beiruter Flughafen führen. Wir hören, dass diesen Korridoren zugestimmt worden ist, aber aber es ist noch immer ungeklärt, wie sie tatsächlich funktionieren sollen. (Ergänzung: Ein Schiff mit Hilfsgütern liegt noch immer vor Saida und Israel gibt keine Zustimmung zur Entladung).

Die Opfer unter der Zivilbevölkerung wachsen täglich und letzte Nacht haben die Flugzeuge die Stadt Tyrus mit schwerem Beschuss überzogen.

In den südlichen Lagern hält der Zustrom libanesischer Familien nach Bourj Al-Shemali und Rashidiye an, während andereseits 30% der dortigen Bewohner in die Camps bei Saida und Beirut und nach außerhalb des Libanon fliehen. In Rashidiye haben viele Familien die Frauen und Kinder evakuiert, Lebensmittel sind noch vorhanden, aber sie nehmen ab und die Vorräte können nicht erneuert werden. Manchmal riskieren sie es, Lebensmittel nach Bourj Al-Shemali zu bringen, das unter Lebensmittelmangel leidet, weil es ein sehr armes Camp ist und es zudem keine Bäckerei im Lager gibt. In Bourj Al-Shemali sind 118 libanesische Familien untergekommen. Sie wurden von den palästinensischen Familien aufgenommen, die mit ihnen ihre ohnehin kärgliche Nahrung teilen. Es gibt kein Strom mehr im Lager und die Dieselvorräte für die Generatoren sind aufgebraucht, deshalb kann auch kein Wasser mehr in die Häuser gepumpt werden. Mit Seilen und Eimern versucht man, sich zu behelfen. Natürlich sind die Luftangriffe rund um die Lager ununterbrochen und das Bombardement von Tyros gestern Abend hat die Einwohner total schockiert. Es ist offensichtlich, dass diejenigen Palästinenser und Libanesen, die zurück bleiben müssen, die Allerärmsten sind, die über keine Transportmittel verfügen und die hohen Preise von bis zu 200$ nicht bezahlen können, die manche Fahrer verlangen.

Flugzeuge fliegen die ganze Nacht über Beirut und die christlichen Gebiete in den Bergen, was Angst und Frustration unter den Menschen verbreitet, Krieg ist auch psychologisch...

Das einzig Positive, was wir feststellen können, ist die Einheit aller Gruppierungen des libanesischen Volkes angesichts dieses Elends. Menschen aus allen Regionen nehmen die Flüchtlingsfamilien auf und helfen, soweit sie können.

Eure Solidarität gibt uns Hoffnung; großer Druck ist nötig, um einen Waffenstillstand zu erreichen und sichere Korridore zu öffnen.

NISCVT

Geschichten von menschlichem Leid machen in diesen Tagen die Runde. Es ist nicht ungewöhnlich, Kinder, alte Frauen und Kranke entlang allen verfügbaren Straßen von Süden nach Norden unter den Bäumen schlafen zu sehen, die Glücklichen unter ihnen sind in Schulen untergebracht. Jede Familie hat schreckliche Geschichten zu erzählen und die meisten Kinder haben furchtbare Szenen gesehen, die sich nicht aus ihrem Gedächtnis tilgen lassen. Überall findet man verschreckte Menschen, die nach Familienmitgliedern fragen, die zurück geblieben sind, unter Feure gekommen sind, getötet oder verletzt worden sind während der Flucht. Wir möchten ein bisschen Licht auf diese Geschichten werfen, vielleicht erzeugen sie den nötigen Druck für irgendeine Art von Lösung.

Eine unglaubliche Geschichte kam aus Tyros...einhundert Leichen von Menschen, deren Namen und Herkunftsorte bekannt waren, lagerten in den Kühlräumen des Krankenhauses und die Familien konnten nicht hinkommen, um sie zu beerdigen. So musste das Krankenhaus, das den Platz dringend benötigte, die Toten im Krankenhausgarten vergraben. Yousef Zien, der sich nach dem Schicksal seines Bruders Mounir und dessen Familie erkundigte, musste erfahren, dass die ganze Familie mit 4 Kindern, Vater und Mutter getötet und an der Stelle begraben worden ist.

"Für 10 Tage haben wir im Auge des Todes gelebt", sagt Fatima. Sie floh mit ihrem Mann und 6 Kindern im Alter von 3-17 Jahren aus ihrem Dorf Qana, wo 1996 200 Menschen bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden, nachdem sie dort bei den UNIFiL-Truppen Schutz gesucht hatten. Fatima erzählt ihre Geschichte: "Wir haben versucht, das Haus nicht zu verlassen...10 Tage lang hörte das Bombardement nicht auf, so wurden viele Häuser rund um uns zerstört. Ich stellte jedes Kind in eine Ecke des Zimmers, gab ihm, was immer noch zu essen übrig geblieben war, wobei mir das Herz wie Feuer brannte. Ich ging ständig von einem zum anderen, drückte es an meine Brust und fragte mich in großem Schmerz, welches ich als erstes verlieren würde, welches als erstes vor meinen Augen in Stücke gerissen werden würde, oh Gott, ich konnte es nicht ertragen, mir das vorzustellen. Schließlich entschieden wir uns, zu gehen. Draußen trafen wir auf den Milchmann, der uns anbot, uns in seinem Auto mitzunehmen...Es war die schrecklichste Reise, die man sich vorstellen kann... auf der Straßen standen brennende Autos mit Menschen darin...Granaten fielen wie Regen zwischen den fliehenden Autos und den zu Fuß rennenden Menschen. Es war das reine Glück, am Leben zu bleiben. Ich kann die Szenen nicht glauben, die ich gesehen habe. Die schlimmste war ein alter Mann, der auf einem Motorrad floh und getroffen wurde. Seine Beine wurden abgerissen und er schlug auf die Straße wie ein geschlachtetes Küken, um Hilfe flehend und kein Auto traute sich, anzuhalten und ihm zu helfen... sogar das Rote Kreuz konnte wegen der starken Angriffe nicht halten." Fatima umarmte ihre kleine Tochter, die noch unter Schock stand. "Jetzt sind wir sicher in Beirut. Ich bitte Gott nur, meine Kinder zu schützen. Bitte nimm alle meine Habe, aber verschon meine Kinder...."

Man kann nicht aufhören, sich zu wundern, was die Israelis tun!!! Wenn sie wirklich Frieden wollen, was für einen Frieden wollen sie dann, wenn sie sich gleichzeitig mit extremem Schmerz, Wut und Hass umgeben. Kann irgendjemand ein sicheres Leben erwarten, wenn er von verbrannten Land umgeben ist? Was für eine Logik ist das?

NISCVT
(The National Institution of Social Care and Vocational Training)